Es ist schon erstaunlich: Anscheinend haben Kinder einen viel natürlicheren und ungezwungeneren Zugang zu den Themen Sexualität und Fortpflanzung als Erwachsene. Das betrifft auch den Bereich der künstlichen Befruchtung. Zumindest war das Ende der 1990er Jahre so.
Die Anfänge
Ich erinnere mich gerne an jene Zeiten zurück, als wir uns als Zentrum für In-vitro-Fertilisation im süddeutschen, schweizerischen, westösterreichischen und norditalienischen Raum etabliert hatten. Das war 1984/1985 und wir waren nur zu dritt: Meine Frau als medizinisch-technische Assistentin, eine Sekretärin, die sich auch langsam in medizinische Belange einarbeitete, und ich. Damals war noch jede Schwangerschaft – auch weltweit gesehen – ein Ereignis, das wir im Einzelfall immer noch speziell feierten. Die Patienten sind uns praktisch nachgereist, sie kamen unter anderem aus Regionen, die in Anbetracht der – auch noch heutigen – Möglichkeiten mit Tagesreisen zu vergleichen sind. Seinerzeit pflegte man mit den Paaren noch intensiven persönlichen Kontakt, freute sich über Einladungen zur Taufe, hatte zu Weihnachten/Neujahr und zu Ostern Briefwechsel, tauschte Glückwunschkarten aus.
Erfolg im ersten Durchgang
Mitte der 1980er-Jahre hatte sich ein Paar aus der näheren Umgebung von Bregenz nach langer Überlegung und Abwägung entschlossen, eine In-vitro-Fertilisierung vornehmen zu lassen. Auch mit einem befreundeten Priester wurde Rücksprache bezüglich dieses Vorhabens gehalten.
Gleich der erste Embryotransfer war von Erfolg gekrönt, 1985 kam ein Sohn zur Welt (der heute Akademiker ist). Das Familienglück war perfekt, als vier Jahre später nach künstlicher Befruchtung eine Tochter geboren wurde.
Aufklärung in der Schule
Meine Frau und ich haben mit dem Paar nach wie vor guten Kontakt. Erst kürzlich waren wir wieder einmal zum Kaffee eingeladen. Dabei erzählte uns die Mutter über die damaligen Erlebnisse ihres Sohnes in der Schule, als es ums Thema Aufklärung ging. Das war, als der Bub ungefähr zwölf Jahre alt war. Endlich sprach der Biologielehrer in der Mittelschule das Thema „sexuelle Aufklärung“ an. Wobei er jedoch anscheinend so seine Mühen hatte – es dauerte nämlich ziemlich lange (Ausschweifungen inklusive), bis er von Bienen, Blumen und Bestäubung schlussendlich zum Wesentlichen kam: der menschlichen Fortpflanzung.
„Bei mir war das anders!“
Nachdem der Lehrer seine persönlichen Hürden schließlich überwunden hatte, meldete sich sogleich der 12-Jährige zu Wort: „Herr Professor, bei mir war das aber anders!“
Sichtlich irritiert und nicht vorbereitet auf solch einen Einwurf fragte der Lehrer nach, was genau er denn damit meine. Der Junge berichtete daraufhin, was er von seinen Eltern – die ihren Kindern immer sehr offen über deren Entstehungsgeschichte erzählt hatten – wusste.
Der Lehrer war offensichtlich mit der Thematik und den sich daraus ergebenden Fragen der Schüler überfordert. Seine Reaktion war alles andere als optimal: Er ignorierte den Themenkomplex schlichtweg und klammerte ihn aus dem Lehrstoff aus.
Die Wogen glätten
Die Mutter erzählte uns, dass sie damals anschließend Kontakt zu einigen Eltern aufgenommen und ihnen erklärt hat, was es mit der Entstehungsgeschichte ihres Sohnes auf sich hatte, wie die Schwangerschaft entstanden war etc.
Allem Anschein nach fällt Kindern der Umgang mit diesem Thema weitaus leichter als so manch Erwachsenem – für die beiden Kinder dieser Familie war es völlig normal, durch künstliche Befruchtung das Licht der Welt erblickt zu haben. Allerdings haben sie nie richtig verstanden, was damals im Kopf dieses Lehrers wohl vorgegangen sein mag …
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